Dia c’Tchuva Bem – Am Tag als der Regen kam

„Chuva“ (Regen) ist eines der magischen Wörter auf Cabo Verde. Ob er kommt, ist ungewiss, aber wenn er kommt, dann hĂ€ufig mit Macht. Jeder einzelne fette Tropfen klatscht vernehmlich auf den Boden, was dann in der Summe zu einem gewaltigen Prasseln anschwellen kann. Wege werden unterspĂŒlt, BrĂŒcken weggerissen, Orte sind wochenlang nur zu Fuß zu erreichen und durch die Strassen rauscht das Wasser in wahren SturzbĂ€chen. Es tropft von der Decke, in den SchrĂ€nken schimmelt die WĂ€sche, wegen der Luftfeuchtigkeit ist die Hitze kaum auszuhalten, keiner kann mehr richtig schlafen und ….. die Leute freuen sich wie verrĂŒckt.

Wie ein Lauffeuer machen auf dem Markt die neuesten Berichte ĂŒber NiederschlĂ€ge in entfernten Inselteilen die Runde und alle haben ein Blitzen in den Augen, wie Kinder vor der Bescherung. Und ĂŒberall dieses Wort: …chuva …chuva.

Dia c’Tchuva Bem – eine kapverdische Coladeira von TĂ©tĂ© Alhinho

1940 bis 1950 war die Dekade der grossen DĂŒrren und Hungersnöte auf den Kapverden – und Hilfe aus dem Ausland gab es nicht, das war gerade mit etwas anderem beschĂ€ftigt. Auf der Insel Fogo starben von 1941 bis 1943 ca. 7500 Menschen an den Folgen des ausbleibenden Regens, das war fast ein Drittel der Bevölkerung. Wenige Jahre spĂ€ter wieder 3 DĂŒrrejahre in Folge. Allein im Jahr 1946 verhungerten bzw. verdursteten auf Kapverde 30000 Menschen, 15% der Bevölkerung. Das hat sich tief in das gesellschaftliche Bewußtsein eingegraben. Regen bedeutet Überleben, alles andere ist Nebensache.

In den Nachrichten wird akribisch ĂŒber den Fortschritt in der Landwirtschaft berichtet: in welcher Region haben die Bohnen schon KeimblĂ€tter entwickelt, wieviel BlĂ€tterpaare hat der Mais, wo haben die Bauern schon mit dem zweiten Hacken begonnen …

Die Region um SĂŁo Filipe im SĂŒdwesten der Insel bekommt von dem kostbaren Nass immer am wenigsten ab. Sie ist ein typisches Trockenbaugebiet, d.h. man steckt im Juli Samen in den staubigen Boden, hofft auf genĂŒgend Niederschlag zur richtigen Zeit und zĂŒndet in der Kirche eine Kerze an.

Oft gibt es mehrere Tage mit NiederschlĂ€gen im August oder September und die Kulturen von Mais und Bohnen laufen auf. Dann beginnt die Zeit des grossen Zitterns. Wird es spĂ€ter noch einmal regnen, so dass die FrĂŒchte zur Reife kommen? Wenn nicht, sieht man zu Weihnachten wieder staubige ockerfarbene Maisfelder mit kniehohen verdorrten Pflanzen in der glĂŒhenden Sonne – ein trauriger Anblick.

Im Nordosten der Insel sind die Bauern wesentlich entspannter. Der Nord-Ost-Passat treibt die Wolken den Berg hoch und hier gibt es eine tropische Nebelwaldzone. Die BaumstĂ€mme sind mit Moos bedeckt, Farne und Aufsitzpflanzen wachsen auf den Ästen und kondensierter Nebel tropft von den BlĂ€ttern herab. Hier wachsen sogar Bananen und Kaffee ohne kĂŒnstliche BewĂ€sserung.

Eigentlich hat Fogo genĂŒgend Wasser. In den hochgelegenen Regionen entsteht in jeder Nacht viel Tau, der versickert und große unterirdische Reservoirs bildet. Im Gegensatz zur Mitte des vorherigen Jahrhunderts werden diese natĂŒrlichen Speicher heute angezapft. Das Wasser wird fast auf Meereshöhe an die OberflĂ€che gepumpt, und von dort weiter auf bis zu 1200 Meter ĂŒber dem Meeresspiegel. SĂŒsswasser ist also genĂŒgend vorhanden, hat aber wegen der hohen Pumpkosten einen hohen Preis. Und auch wenn das Wasser fĂŒr die Landwirtschaft subventioniert wird – natĂŒrlich sind die im Vorteil, die auf gut gefĂŒllten Zisternen sitzen und das Wasser zum Nulltarif bekommen.

Besonders fĂŒr die Landbevölkerung ist Wasser etwas sehr kostbares. In manchen Gegenden ist die öffentliche Wasserversorgung noch nicht angekommen oder der Abstand zur nĂ€chsten Wasserleitung des Versorgers Aguabrava ist so groß, dass die Anschlusskosten unerschwinglich sind. Wenn dann das Wasser in der hauseigenen Zisterne zur Neige geht und der Regen ausbleibt, gibt es nur eins: die Frauen gehen zur nĂ€chsten öffentlichen Zapfstelle kaufen dort 20 Liter Wasser fĂŒr kleines Geld und tragen es in einem Eimer auf dem Kopf nach Hause – ganz schön anstrengend, wenn es bergauf geht. MĂ€nner habe ich bei dieser TĂ€tigkeit noch nicht gesehen.

Wasser hat also einen hohen Wert und entsprechend umsichtig ist die Familie bei seinem Verbrauch. Es existieren ausgeklĂŒgelte Techniken, wie man sich selbst oder die Kleidung mit minimalem Aufwand an Wasser waschen kann. Und dort gibt es natĂŒrlich auch keine SpĂŒltoilette. Zum großen GeschĂ€ft entfernt man sich vom Haus an einen abgelegenen Ort.

Anders ist es in der Stadt und in grĂ¶ĂŸeren Gemeinden. Dort ist fast jedes Haus an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen. Das bedeutet allerdings nicht, dass auch alle HĂ€user ĂŒber eine Toilette verfĂŒgen. Und der Weg zu dem abgelegenen Ort ist meist deutlich lĂ€nger. In SĂŁo Filipe sind die Klippen oberhalb des Stadtstrandes zu diesem Zweck sehr beliebt. Sie liegen in der NĂ€he des Zentrums und sind uneinsehbar, aber auch gefĂ€hrlich. Wenn man dort ins Straucheln gerĂ€t, vielleicht weil man schon etwas angeheitert ist, fĂ€llt man 40 Meter fast senkrecht in die Tiefe. Vor einigen Jahren wurde am Strand direkt unterhalb der Klippen eine mĂ€nnliche Leiche mit heruntergelassener Hose gefunden …

In unserem Haus in SĂŁo Filipe haben wir allerdings ein Badezimmer mit Toilette. Ich erinnere mich noch gut an den Besuch der Großtante meiner Frau und ihren entsetzten Gesichtsausdruck, als sie zum ersten Mal in ihrem Leben eine SpĂŒltoilette in Aktion erlebte. Sieben Liter bestes Trinkwasser rauschten da einfach ins Nichts.

Und zum guten Schluss fĂŒr starke Nerven noch eine Schnulze von Gilbert BĂ©caud aus den 50ern, gesungen von Dalida: